Mathias Müller Blickfeld founder

„Das Reizvolle ist für mich, aufs Ganze zu gehen“

Wie geht man erste Schritte in der Technologieentwicklung? Welche Herausforderungen musste Blickfeld als Unternehmen bereits meistern? Im zweiten Teil der Blickfeld-Gründer Interview-Reihe steht CEO Dr. Mathias Müller Rede und Antwort.
Portrait Mathias Müller Blickfeld founder

Ein Gespräch mit Dr. Mathias Müller, Blickfeld-Gründer und CEO.

Kannst du dich in ein paar Sätzen vorstellen?

Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Technik: Dinge zu bauen und zu erschaffen, an etwas herumzubasteln – das fasziniert mich. Sicherlich hat das auch meine Studienwahl beeinflusst, die auf Elektrotechnik und Physik gefallen ist. Nach meiner Promotion im Bereich optische Messtechniken stand ich dann vor der Entscheidung, einen Postdoc zu machen, oder ein Start-up mitzugründen. Meine Mutter hat mir ihren Unternehmergeist mitgegeben und daher habe ich mich für die Mischung aus Technik und Unternehmertum entschieden und fos4X mitgegründet. Die Entwicklung des Unternehmens, das faseroptische Sensoren herstellt, habe ich sechs Jahre lang begleitet und konnte tiefgreifende Erfahrungen im Aufbauen und Führen einer Firma sammeln. 2017 haben wir dann Blickfeld gegründet.

Was macht für dich den Reiz am Gründen aus?

Meine Faszination mit Technik hört nicht damit auf, mich mit der Materie zu beschäftigen und etwas zu entwickeln. Ich möchte die Technologie im Einsatz sehen, etwas damit erreichen und verändern. Am Anfang steht eine gute Idee und im nächsten Schritt muss sich dann herausstellen, ob diese Idee umsetzbar und vermarktbar ist. Das Reizvolle ist für mich der Moment, wenn klar wird, dass es funktionieren könnte und man aufs Ganze geht, den Schritt wagt und auf die Technologie setzt. 

Das Herzstück der Blickfeld-Technologie: MEMS-Spiegel
Das Herzstück der Blickfeld-Technologie: MEMS-Spiegel

Wie geht man in der Technologie-Entwicklung die allerersten Schritte?

Der wichtigste und erste Schritt ist, sich die Anforderungen an die Technologie und an das Produkt klar zu machen. Mit dieser klaren Zielsetzung kann geprüft werden, ob die Ursprungsidee umsetzbar ist.

Bei Blickfeld fing es mit der Idee an, die MEMS-Komponenten neu zu entwickeln. Dazu haben wir uns die optischen Anforderungen angeschaut und es war schnell klar, was wir dafür brauchen: Einen großen Spiegel, den man weit ablenken kann.

Was sind die wichtigsten Lehren, die du aus der Gründung von Fos4X mit zu Blickfeld gebracht hast?

Es war ein riesiger Vorteil, dass Rolf Wojtech und ich die Erfahrung, bereits ein Start-up gegründet zu haben, in die Gründung von Blickfeld mitbringen konnten. Wir haben fos4X mit einer starken Techniker-Perspektive gegründet und mussten dann Schritt für Schritt lernen, wie ein Unternehmen im Detail funktioniert, wie man Teams aufbaut, welche Rollen zu welchem Zeitpunkt besetzt werden sollten. Das alles ist extrem wertvolles Wissen, was wir bei Blickfeld gleich anwenden konnten und nicht noch einmal neu erarbeiten mussten.

Auch in operativen Themen haben wir von unserer Erfahrung profitiert. Fragen wir „Wie funktioniert die Kommunikation im Unternehmen?“ oder „Welche Tools brauchen wir zur Zusammenarbeit?“ waren schnell beantwortet, da wir auf Bewährtes zurückgreifen konnten.

Was fällt alles in deinen Aufgabenbereich als CEO?

Meine Rolle als CEO hat sich durch die verschiedenen Phasen von Blickfeld stark gewandelt. Anfangs habe ich eher die Rolle des CTOs eingenommen, da zu Beginn der Fokus natürlich klar auf der Technologie lag. Mit der Zeit hat sich die Rolle dann hin zu den klassischen CEO-Aufgaben entwickelt mit Geschäftsführung und Strategiethemen.

Seit Sommer 2020 teile ich mir die Geschäftsführung mit unserem COO Terje Noevig.

Mathias mit Blickfeld-COO Terje Noevig
Mathias mit Blickfeld-COO Terje Noevig

Was war die größte Herausforderung bisher für Blickfeld als Firma und für dich als Blickfelds CEO?

Für Blickfeld als Firma gab es vor allem ganz am Anfang zwei große make-or-break Situationen. Zum einen war natürlich klar, dass wir eine derartige Technologieentwicklung nicht ohne Funding würden stemmen können, daher war der Abschluss der ersten Finanzierungsrunde ein wichtiger Meilenstein. Die zweite Herausforderung, die es zu bewältigen galt, war die technische Umsetzbarkeit des Produkts. Als wir das MVP, den ersten funktionierenden, auf unserer Technologie basierenden LiDAR-Sensor, präsentiert haben, war erkennbar, wir sind auf dem richtigen Weg – ein unglaubliches Gefühl.

Für mich in meiner Rolle als CEO war die Corona-Pandemie eine große Herausforderung. Tech-Start-ups leben von ihrer Kultur, von dem Spirit, gemeinsam eng an einem Produkt zu arbeiten und zu sehen, wie daraus etwas Großes wird. Diese Art der engen physischen Zusammenarbeit stellte aber nun plötzlich eine Gefahr für die Mitarbeitenden dar. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, wie wir unter diesen völlig neuartigen Bedingungen weiter zusammenarbeiten können, wie wir diese Kultur ins Digitale übertragen können. Und vor allem auch, wie wir die Mitarbeitenden schützen können, die weiter ins Büro kommen mussten, da sie mit Equipment arbeiten, das sie zu Hause nicht zur Verfügung haben. Diese Fragen zu beantworten und ein funktionierendes Konzept zu erstellen, war eine riesige Herausforderung.

Es hat sich zum Glück herausgestellt, dass wir als Team so gut funktionieren, dass auch die Home-Office Situation unserer Produktivität nicht geschadet hat. Natürlich hakt es hin und wieder auch mal, aber wir konnten viele Projekte auch unter diesen unbekannten Bedingungen weiter vorantreiben.

Wo siehst du technologisch die größte Herausforderung im Bau von LiDAR-Sensoren? Wo das größte Potential?

LiDAR ist keine neue Technologie, aber in den letzten Jahren ist ein regelrechter Hype in der Entwicklung zu erkennen. Das liegt daran, dass einige Unternehmen inzwischen erkennen, wie groß das Potential der Technologie für viele Bereiche ist und wo hochauflösende LiDAR-Sensoren überall integriert werden können, um Mehrwert zu schaffen.

Um allerdings in die breite Anwendung zu kommen, muss die Frage der Produktionsskalierbarkeit geklärt sein und das ist in meinen Augen für viele Anbieter die größte Herausforderung. Die Frage ist nicht nur, wie man den leistungsfähigsten LiDAR baut, sondern einen, der sehr gut skaliert. Mit unserem Sensoraufbau haben wir diese technisch sehr herausfordernde Aufgabe gelöst.

Das größte Potential im LiDAR-Markt sehe ich darin, den Kunden Lösungen anzubieten. In so vielen Anwendungsbereichen kann LiDAR eine große Erleichterung bringen, ist aber in der spezifischen Branche noch nicht als Technologie etabliert. Hier ist es von großem Vorteil, sich verschiedene Use Cases anzuschauen und für diese eine Kombination aus Hard- und Software anzubieten, die ohne große LiDAR-Erfahrung oder -Kompetenz bedienbar ist. Schlussendlich sollen die Anwender:innen schlicht die Information zur Verfügung haben, die benötigt werden: Wie viel Material lagert in der Halle? Wie lange ist die Wartezeit am Check-in Schalter? Wo ist der nächste freie Parkplatz?

Welche Entwicklungen siehst du in der LiDAR-Branche in der nächsten Zeit kommen?

Eine Entwicklung, die aktuell zu beobachten ist, ist dass die Supplier von Laser- und Detektor-Komponenten erkannt haben, was für ein großes Potential der LiDAR-Markt bietet. Bisher haben sie Standard-Komponenten produziert, die in LiDAR-Sensoren ebenso zum Einsatz kommen, wie etwa in Infrarotkameras. Nun haben viele Hersteller begonnen, Bauteile speziell für den LiDAR-Markt zu entwickeln, was auch positive Auswirkungen auf die Leistung der Sensoren haben kann. Tatsächlich arbeiten wir hier auch mit Herstellern zusammen und unterstützen somit diese Entwicklung.

2019 wurde Blickfeld mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet
2019 wurde Blickfeld mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet

In welcher Branche wird LiDAR die größten Veränderungen mit sich bringen?

Lange Zeit hat man gedacht, dass der Bereich Autonomes Fahren der vorrangige Anwendungsfall ist, in dem LiDAR zum Einsatz kommen wird. Das ist sicherlich auch richtig, LiDAR spielt beim autonomen Fahren eine integrale Rolle. Was sich aber in den letzten Monaten und Jahren auch herauskristallisiert hat, ist, dass zusätzlich viele Industrie-Bereiche tiefgreifendes Potential bergen.

Der Smart Infrastructure-Markt, als nur ein Beispiel von vielen, hat großes wirtschaftliches Potential und die LiDAR-Technologie bringt dabei einen wirklichen Mehrwert, da sie die Datentiefe liefert, die benötigt wird.

Welche Vision hast du für Blickfeld?

Mich motiviert das Potential unserer Lösung; die vielen Applikationen, in denen wir wirklich einen Unterschied machen im Vergleich zu herkömmlicher Technologie. Diese Anwendungen zu lösen und dafür zu sorgen, dass in jeder einzelnen ein Blickfeld-Sensor hängt, das ist meine Vision.

Mit unserer Software-Lösung ermöglichen wir zudem den zweiten Teil meiner Vision: Blickfeld LiDAR für Jedermann! Unsere Software ist wirklich so intuitiv zu bedienen, dass Anwender:innen keine Spezialist:innen mehr sein müssen, sondern dass jeder Anwendungsfall einfach gelöst werden kann.

Auf lange Sicht sehe ich unsere Sensorik tatsächlich auch im Consumer-Bereich! Aber das ist wohl erst der übernächste Schritt.

Was ist deine Lieblingstradition bei Blickfeld?

In unserer Vision ist verankert, dass jeder bei uns Fehler machen darf, das ist nur natürlich und menschlich. Ganz ungestraft bleiben diese aber in manchen Fällen nicht: Wenn beispielsweise ein Missgeschick passiert oder der Computer beim Verlassen des Platzes nicht gesperrt wird, werden die Kollegen „gecaked“, sie müssen also Kuchen backen und mitbringen. Über die Jahre haben wir schon die tollsten Kreationen in der Küche stehen gehabt, auch ich musste schon ein paar Mal ran! Das ist definitiv meine Lieblingstradition, denn wer freut sich nicht über ein Stück Kuchen zum vormittäglichen Kaffee?

Was war bisher das Aufregendste, das du bei Blickfeld erlebt hast?

Die Liste an aufregenden Erlebnissen ist lang und würde jeden Rahmen sprengen. Was natürlich im Gedächtnis bleibt, sind die allerersten technischen Erfolge, die verdeutlicht haben, dass die Umsetzung unserer Ideen tatsächlich klappt.

Weitere Erinnerungen, die herausstechen, sind die Feiern, die wir vor Pandemie-Zeiten veranstaltet haben. Den Zusammenhalt im Team auch außerhalb der Bürowände zu erleben und zu fördern, unsere Vision und Erfolge zu feiern – das ist mir immer eine besonders große Freude.

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